Josef Pillhofer
von Alfred Schmeller, Mai 1970

Vorwort im Faltblatt zur Ausstellung Pillhofer in der Galerie auf der Stubenbastei, Wien, 5. –30. Mai 1970

Pillhofer ist unter den strengen Bildhauern Österreichs der strengste. An seinen Skulpturen ist nichts Unbedachtes, nichts Ausschweifendes, nichts Überflüssiges. Ihre Simplizität ist nicht simpel, und hier geschieht auch keine vorbedachte Reduktion auf Primärstrukturen, die amerikanische Künstler europäischer Komplexbeladenheit entgegenstellen. In den Skulpturen Pillhofers wird gewogen, gespannt, in Beziehung gesetzt. Formkomplexe durchdringen einander, staffeln sich rhythmisch auf, bauen Stufen und Überhänge. Zwischen den sorgfältig ausgespannten Eckpunkten begrenzen die Kubenkanten lapidare Formgebilde, die überraschend und schlagkräftig erscheinen. Überzeugend. An den Kanten entlangsehend erkennt das Auge Flächenkrümmungen, die Spannung schaffen. So entfalten diese Formkonzentrate auf knappstem Raum einen Reichtum von integrierenden, einander antwortenden und gegensätzlichen Beziehungen, die den eigentlichen Gesprächsstoff ausmachen, wenn man Pillhofers Atelier betritt.

Wir saßen eine besinnliche Stunde in dem kleinen Raum und redeten wenig. Ich fand, dass die Bronzen häufig von einer schmalen Standfläche aus nach oben schwerer werden, an Volumen gewinnen. Darauf legte Pillhofer die Skulpturen in die Horizontale, eine nach der anderen, und stellte sie auf kleine Rundsockel. Nicht nur, dass die Bronzen völlig ausgewogen und wie selbstverständlich balancierten, auch alle Teilformen befanden sich in der neuen Lage in einem gleichgewichtigen Zustand. Ob man die Bronzen stellt, legt oder in sie hineinschaut, die Formbeziehungen ordnen sich jedesmal auf gültige Weise. Das ist keinesfalls bei Skulpturen anderer Bildhauer immer der Fall, die meisten Werke sind auf eine Ansicht hin komponiert und „fallen um“, wenn man die Hauptansicht ändert. Bei Pillhofer scheint mir diese Ausgeglichenheit ein spezifisches Merkmal zu sein. Er sagt, das komme daher, dass die Figuren aus einem Kern, aus einem Zentrum entwickelt sind, und man kann ihm nur zustimmen, wenn er meint, dass seine Arbeiten Lyrik sind, Lyrik im Sinne von Komprimierungsarbeit.